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Die nach der gestalterischen und funktionalen
Konzeption von Stadtbaurat Reinhold Kiehl
errichtete Krankenhausanlage steht heute
unter Denkmalschutz


Vom Krankenhaus Rixdorf
zum Klinikum Neukölln


Bereits 1902 wurde für den vorgesehenen Krankenhausneubau Rixdorf ein Standort in der Gemarkung Buckow ausgewählt, weit vor dem eigentlichen, bereits dicht bebauten Arbeitervorort gelegen. Dessen Bevölkerung war binnen eines Jahrzehnts von 60.000 auf 153.000 Einwohner (1905) gestiegen. Noch führte nach Rixdorf lediglich eine kopfsteingepflasterte Landstraße. Der Ortskern von Buckow war über Feldwege zu erreichen. Die Planer hatten bei der Auswahl des Standortes für das Krankenhaus weniger das weitere flächenhafte Ausufern der Stadt im Hinterkopf. Entscheidend war vielmehr das billige Bauland in Buckow.
Das heutige Klinikum Neukölln konnte am 24. Oktober 1909 nach dreijähriger Bauzeit mit zunächst 450 Betten als Rixdorfer Krankenhaus eröffnet werden.


Die Kosten des ersten Abschnittes stiegen in der Bauphase von 3,8 Millionen Mark auf 4,62 Millionen Mark. Besonders verdient um den Bau machten sich Prof. Dr. Sultan als erster Ärztlicher Direktor und Initiator sowie für die gestalterische und funktionale Konzeption Stadtbaurat Reinhold Kiehl.
1912 erfolgte die Umbenennung des Krankenhauses Rixdorf in Krankenhaus Neukölln. Nach Abschluss der zweiten Bauphase im Jahr 1913 stieg die Bettenzahl auf 950. In den jeweiligen Krankensälen im Mittelteil der Pavillons drängten sich anfänglich 20 bis 24 Patientenbetten. Für Privatpatienten existierten jedoch schon damals Ein- und Zweibettzimmer.




Die Pavillonbauten sind in ihrer Art typisch
für einen Krankenhausbau nach 1900




Der frühere Haupteingang gebärdet
sich repräsentativ wie ein Herrschafthaus


Ein Krankenhaus in barocker Gestalt
Die Gesamtanlage für das Krankenhaus Neukölln lehnt sich offensichtlich an barocke Schloss- und Parkanlagen an. Der Haupteingangstrakt liegt, repräsentativ wie ein Herrschaftshaus, erhöht über der Rudower Straße. Sie hieß damals noch Königswusterhausener Chaussee. Dahinter erstrecken sich in streng axialer Ordnung die Baukörper der beiden Kammzeilen. Hier wechseln sich die höheren Risalitbauten (Pavillons) mit den tieferliegenden Zwischentrakten ab. Erstere tragen barocke Mansarddächer, die übrigen Satteldächer. Diese für ihre Zeit typische Grundkonzeption ist bis heute im äußeren Erscheinungsbild gut nachvollziehbar.


Die Fassaden gliederte Reinhold Kiehl zurückhaltend mit klassizistischen und Jugendstilelementen. Charakteristisch ist die Umrahmung der Fenster und Türen der Erdgeschosse durch Rundbogen. Den parkartigen Eindruck des Krankenhauses verstärken die grünen Rankgitter an den Erdgeschossfassaden.

Im rückwärtigen Grundstück löste sich die strenge Gliederung auf. Der Charakter der Gebäudegruppen orientierte sich hier stark an der jeweiligen Nutzung und ist in der Gegenwart durch Um- und Neubauten stark überragt, Noch nachvollziehbar ist der sogenannte Wirtschaftshof mit seinem dominierenden Wasserturm.

Die Jahre des Ersten Weltkriegs brachten unvorstellbare Schwierigkeiten. So musste das Haus im Herbst 1918 während der Grippe-Epidemie 1.200 Patienten aufnehmen. Das Tausendjährige Reich stellte jedoch alle vorausgegangenen Belastungen in den Schatten. Zunächst entließen die braunen Machthaber zahlreiche jüdische Ärzte, darunter den hochangesehenen Professor Zadek. 1943 hinterließ ein Bombenangriff sein schlimmes Zerstörungswerk. Es konnte nur noch ein Notbetrieb aufrecht erhalten werden. Der eigentliche Krankenhausbetrieb musste jedoch in die Britzer Onkel-Bräsig-Schule ausgelagert werden.


Entwicklung zum größten
städtischen Krankenhaus Berlins

Besondere Verdienste um die Organisation des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg wie in medizinischer Hinsicht erwarb sich der an den Nationalsozialisten aus der Einrichtung vertriebene Ärztliche Direktor Prof. Zadek. Seit 1975 dient das Krankenhaus Neukölln auch als akademisches Lehrkrankenhaus der Freien Universität Berlin. In den siebziger Jahren erfolgte schließlich der Zusammenschluss mit den Krankenhäusern am Mariendorfer Weg sowie Britz.




Kiehl ordnete die Bauten des Krankenhauses
Rixdorf in eine Parkanlage ein, die heute
als Gartendenkmal geschützt ist


Das nach modernsten Gesichtspunkten errichtete neue Hauptgebäude konnte nach neunjähriger Bauzeit 1985/86 eingeweiht werden. Von den Mitarbeitern kurz "Ersatzbau" genannt, stellte der Bau in verschiedenster Hinsicht einen Meilenstein dar. Professor Josef Paul Kleihues setzte als Projektant erstmals bei einem Vorhaben dieser Größenordnung konsequent auf die Computertechnik. Zwei- bis Vierbettzimmer lösten die Schlafsäle der Pavillonbauten für zuletzt 12 oder 14 Patienten ab. Ungeachtet seiner Dimensionen - eine Nettonutzfläche von 49.000 Quadratmetern bei einer Länge von über 400 Metern ordnet sich der Baukörper besser in das städtische Umfeld ein, als das in den sechziger Jahren unglücklich positionierte Schwesternhochhaus im Nordosten des Areals.

Das Krankenhaus wird Einzeldenkmal
Die Eintragung der Kiehlschen Krankenhausanlage in das Baudenkmalbuch von Neukölln erfolgte im August 1988. Die parkartigen Außenanlagen sind gleichfalls als Gartendenkmal geschützt. Nach Fertigstellung des Ersatzbaus verlagerte sich der Schwerpunkt der Investitionen auf den Umbau der Altbausubstanz. Hier war der schwierige Spagat zwischen den denkmalpflegerischen Belangen und den vorgegebenen Anforderungen eines modernen Krankenhauses zu bewältigen. Erschwerend wirkte, dass die Denkmalpflege erst einbezogen wurde, als der Planungsstand schon weit gediehen war.

1993 konnte die Modernisierung und Instandsetzung des sogenannten Nordkamms abgeschlossen werden. Aus funktionalen Gründen wurden die Pavillons an ihrer Außenkante durch eine gestalterisch störende Neubauspange verbunden. Die historischen Verbindungsbauten wurden dazu abgebrochen. Die Pavillonbauten werden wieder für verschiedene Stationen genutzt. Kleine Patientenzimmer ersetzten die unzeitgemäßen Schlafsäle. Mit der Fertigstellung und Nutzung des Nordkamms wurde das Krankenhaus Britz aufgegeben. In einem Teil der Baulichkeiten befinden sich heute das Hochbauamt, das Standesamt, das Bürgeramt und das Rechtsamt des Bezirkes Neukölln, die übrigen Gebäude stehen zum Verkauf.

Der Südkamm dient nach erfolgter Sanierung seit 1996 vorwiegend Lehrzwecken und der Verwaltung des Krankenhauses. Im querstehenden Gebäude des einstigen Haupteingangs ist der restaurierte Große Saal hervorzuheben. Ursprünglich als Ärzte- und Schwesternkasino entstanden, wird er heute als Festsaal genutzt. Die ornamentale und florale Bemalung wurde restauriert. Zwei der ursprünglichen Schlafsäle blieben bei den Umbaumaßnahmen beispielhaft erhalten. Sie erfüllen heute verständlicherweise nicht mehr ihre ursprüngliche Funktion. Die Größe der Räume ermöglicht ihre Nutzung für Gymnastik und Lehrzwecke.




Blick aus südlicher Richtung über die
historische Krankenhausanlage zum Ersatzbau



Der 1975 bis 1986 nach Plänen von
J.P. Kleihues errichtete Neubau


Das Mutter-Kind-Zentrum schließt
den Ausbau des Krankenhauses ab

Medizinisch macht die Einrichtung über die Stadt hinaus von sich reden. 1996 öffnete im Krankenhaus Neukölln die erste Laserklinik der Welt. Die von Professor Hans-Peter Berlien geleitete Klinik hat ihren Schwerpunkt in der Behandlung von Tumoren und anderen Veränderungen bei Kindern. Auch der gute Ruf der Augenklinik ist längst über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus gedrungen. Seit Januar 2001 ist das Klinikum Neukölln Teil der neugegründeten Vivantes GmbH, einem Verbund von zehn städtischen Einrichtungen. Unter ihnen ragt der Standort als größtes kommunales Krankenhaus Berlins hervor. Mit etwa 3.000 Mitarbeitern gehört das Klinikum zugleich zu den bedeutendsten Arbeitgebern im Bezirk.
Im ]ahr 2002 soll der Neubau des Mutter-Kind-Zentrums auf der sogenannten "Apfelwiese" - in südwestlicher Verlängerung des Neuhaus aus den achtziger Jahren - beginnen.


Im Projekt von Prof. Kleihues aus den siebziger Jahren war hier ein Schwesternwohnheim vorgesehen. Nach europaweiter Ausschreibung konnte das Büro Karl Schmucker + Partner Planungsgesellschaft mbH im Jahr 2000 einen Einladungswettbewerb für sich entscheiden.
Die Fertigstellung der 23-Millionen-Euro-Investition ist 2004 vorgesehen. Werdende Mütter und Kinder werden im Perinatalzentrum vor und nach der Geburt modernste Bedingungen vorfinden. Nach der Einweihung des Mutter-Kind-Zentrums wird das Krankenhaus am Mariendorfer Weg nach 87 Jahren geschlossen. Der Standort des Klinikums Neukölln kann dann für absehbare Zeit allen gestellten Anforderungen entsprechen.

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Blick in die neue Haupthalle