Siedlungsgeschichte

Schillerpromenade

Ein "Wohnpark" der Stadt Rixdorf für Besserverdienende um 1900

Während in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Nachbarschaft die Bebauung des Rollbergviertels bereits weit vorangeschritten war, wurden auf dem "Ersten Schlag des Berglandes" zwischen Hermannstraße und Tempelhofer Feld noch immer die Äcker bewirtschaftet. Jedoch kauften Terraingesellschaften bereits die ersten Äcker auf, weil zu erwarten war, daß auch hier bald der Bauboom einsetzen würde. Erste Bebauungspläne der Gemeinde Rixdorf wurden ab 1875 erlassen, die zumindest die Straßenfluchtlinien festlegten. Mit dem Bebauungsplan der Stadt Rixdorf von 1901 waren das Straßenraster mit der Schillerpromenade, dem Herrfurthplatz und den angrenzenden Straßen in seiner jetzigen Form festgelegt.

Die 50 Meter breite, repräsentative Schillerpromenade und der kreisrunde Herrfurthplatz in der Mitte, auf dem zwei Jahre später der Grundstein für die Genezarethkirche gelegt werden sollte, zeigen, daß mit diesem Quartier bestimmte Absichten verfolgt wurden. Hier wurde von der Stadt Rixdorf bewußt ein Wohnquartier geplant, das steuerkräftige Bürger von Berlin zum Umzug nach Rixdorf bewegen sollte. Damit wollte man gezielt einen Gegenpol zum Rollbergviertel schaffen, das inzwischen einen ziemlich schlechten Ruf hatte. Dementsprechend anspruchsvoll sollten das Straßenraster, die Zuschnitte der Grundstücke und die Ausführung der Wohnbebauung erfolgen.

Bereits 1892 hatte die Kappelsche Terraingesellschaft an der Hermann- Ecke Herrfurthstraße mit dem Bau von zwei Musterhäusern begonnen. Die Dotti'sche Terraingesellschaft folgte 1901 mit ihrem Musterhaus an der Kienitzer Straße. Die weitere Bebauung im Gebiet sollte sich an diesen Musterhäusern orientieren. In die Grundstückskaufverträge wurden diese gestalterischen Auflagen aufgenommen.

Ab 1905 setzte der Straßenbau und die Bebauung mit Miethäusern durch die Terraingesellschaften erst richtig ein, die die fertiggestellten Häuser z.T. über Zwischenerwerber an einzelne Eigentümer weiter verkauften. Die Grundstücke wurden in der Regel mit Vorderhäusern und jeweils einem Seitenflügel oder einem Quergebäude oft in Hofgemeinschaft mit dem Nachbargrundstück bebaut. Dadurch entstanden für damalige Verhältnisse relativ große, gut belichtete Höfe. Auch die Wohnungen waren zumindest in den Vorderhäusern größer und besser ausgestattet als damals üblich. Die Straßenfassaden waren aufwendig gestaltet und verliehen dem Viertel einen repräsentativen Charakter.

Im Gegensatz zur Entwicklung im Rollbergviertel erhielt das Gebiet Schillerpromenade rechtzeitig öffentliche Einrichtungen wie z.B. zwei Volksschulen in der Mahlower Straße und der Weisestraße bzw. der Schillerpromenade Die Karl-Weise-Grundschule in der Weisestraße 19-20 ist noch heute der zentrale Schulstandort im Quartier. Im Oktober 1914 wurde in der Leinestraße die Königlich Preußische Baugewerkschule eingeweiht, die nach dem Entwurf des Architekten und Neuköllner Baustadtrats Reinhold Kiehl entstand. Heute ist sie unter Denkmalschutz gestellt und beherbergt eine Oberschule.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges war die Bebauung weitgehend abgeschlossen bis auf die Blöcke an der Oderstraße. Deren Bebauung erfolgte ab 1927 entsprechend den städtebaulichen und sozialen Reformideen der zwanziger Jahre. Der Architekt Bruno Taut entwarf für eine Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft einen überwiegend fünfgeschossigen Baublock zwischen Leine-, Oder-, Oker- und Lichtenrader Straße als Blockrandbebauung mit einem vielfältig nutzbaren Innenbereich. Die Wohnungsgrundrisse waren standardisiert, um Baukosten zu sparen und so preiswerte Wohnungen für Arbeiterfamilien zu schaffen. Die übrigen Blöcke entlang der Oderstraße wurden in Anlehnung an den Tautblock in ähnlicher Bauweise errichtet.

Eine weitere Aufwertung erfuhr das Quartier 1928 durch die Eröffnung des Sportparkes entlang der Oderstraße auf dem Gebiet des Tempelhofer Feldes mit zahlreichen Sport- und Spielflächen.

Im Zweiten Weltkrieg blieb das Quartier glücklicherweise Kriegszerstörungen weitgehend verschont. Die Häuser und damit die Wohnungen blieben somit in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten.

Als zu Beginn der sechziger Jahre in Berlin die Sanierung begann, richtete sich das Interesse zuerst auf die Gebiete mit der schlechtesten Bausubstanz. In Neukölln wurde daher als erstes das Rollbergviertel zum Sanierungsgebiet erklärt. Die Schillerpromenade blieb lange Zeit außen vor. Erst 1990 wurde das Gebiet zum "Schwerpunkt der Stadterneuerung" und zwei Jahre später zum Sanierungsuntersuchungsgebiet erklärt. Damit wurde der besonderen Situation des Quartiers nach der Wiedervereinigung Rechnung getragen, die sich durch Mängel in der Wohnungsstruktur und des Wohnumfeldes einerseits und der gestiegenen Attraktivität durch die veränderte Lage in der Gesamtstadt andererseits auszeichnete. Ausdruck für die Attraktivitätssteigerung des Quartiers waren die steigenden Zahlen der Privatmodernisierungen und die dramatisch angestiegene Zahl der Umwandlungen in Eigentumswohnungen, die deutliche Veränderungen im Quartier bewirkten. Zur Festlegung eines Sanierungsgebietes durch den Senat kam es vor allem aus finanziellen Gründen nicht.

Im Sommer 1996 wurde stattdessen vom Bezirksamt Neukölln eine Erhaltungsverordnung aufgestellt. Mit dieser soll einerseits die Miet entwicklung nach Modernisierung sozialverträglich gestaltet und damit eine Verdrängung ansässiger Bewohner verhindert sowie das städtebauliche Ensemble der Schillerpromenade besonders geschützt werden. Mit dieser Maßnahme bzw. mit dem ab 1999 geplanten Quartiersmanagement wird dem historisch einzigartigen Charakter des Quartiers Schillerpromenade Rechnung getragen und den Bewohnern ein attraktives Wohnviertel erhalten.

Rixdorf